Der Heidelberger
Komponist und Pianist
Adolf
Gutmann
* 12.01.1819 - † 22.10.1882
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Biographie von W.EGGERT |
Gutmann |
Chopin |
Die erste veröffentlichte Biographie über Frédéric Chopin von Moritz Karasowski, aus dem Jahr 1877, beschreibt an mehreren Stellen die Freundschaft zwischen Chopin und seinem Lieblingsschüler Adolf Gutmann.
Auf Seite 115 ist nachfolgender Absatz zu finden:
Auf Seite 127 und 128 werden die letzten Augenblicke von Chopin beschrieben
Auf Seite 130 wird die Trauerfeier beschrieben
Auf Seite 135 wird noch eine Anekdote über Chopin und Gutmann berichtet.
In „Die Gegenwart“ von 1879 werden die letzten Stunden von Chopin wie folgt beschrieben: „Während der Priester das Gebet der Sterbenden las, ruhte Chopin auf Gutmanns Schulter mit geschlossenen Augen. Als aber das Gebet zu Ende war, öffnete der Sterbende plötzlich seine Lider und sprach mit klarem Blick und lauter deutlicher Stimme das „Amen“. Dann fiel er wieder in seine Starrheit zurück, bis er nachts um einen Trunk Wasser bat, den ihm Gutmann reichte. Nachdem der Scheidende seine Lippen damit genetzt hatte, hob er Gutmanns Hand gegen seinen Mund, küßte dieselbe und hauchte mit den Worten: „Cher ami!“ seine Seele in Gutmanns Armen aus, als eben die Uhr die dritte Morgenstunde des 17. Oktober verkündete. Der Schmerz des Freundes war so unbeschreiblich, daß Graf Grzymala genötigt war, denselben aus dem Zimmer zu bringen.
Zwei Briefe Frédéric Chopins an Adolf Gutmann, zum ersten Mal veröffentlicht in "Die Gegenwart" am 12.Juli 1879 (siehe Kopie bei Zeitzeugen)
An Adolf Gutmann in Paris
London, 48 Dover Street, 48. Piccadilly.
Sonnabend, 6. Mai 1848.
Teurer Freund!
Endlich habe ich mich doch in diesem Abgrund, den man London nennt, häuslich niedergelassen. Erst seit einigen Tagen atme ich leichter, denn erst seit einigen Tagen hat die Sonne sich gezeigt. Ich habe Herrn d'Orsay aufgesucht, und trotz der erheblichen Verspätung meines Briefes hat er mich sehr gut aufgenommen. Ich bitte Dich, bedanke Dich doch bei der Herzogin in meinem und Deinem Namen. Noch habe ich nicht alle Besuche abgestattet, weil viele von denen, an die ich Empfehlungsbriefe habe, noch nicht angekommen sind. Erard war sehr höflich, hat mir ein Klavier zur Verfügung gestellt. Ich habe ein Instrument von Broadwood und eines von Pleyel, insgesamt also drei, allein was nützt mir das, da ich keine Zeit habe, darauf zu spielen. Ich habe eine Unzahl von Besuchen, und meine Tage fliegen dahin wie Blitze. Bis zum heutigen Tag hatte ich keinen freien Augenblick, um an Pleyel zu schreiben. Schreibe mir über Dich: woran Du jetzt denkst? Wie es den Deinen geht? Bei uns steht es nicht gut, in dieser Hinsicht hege ich große Sorge. Trotzdem wird man sich hören lassen müssen; man hat mir vorgeschlagen, in der Philharmonie zu spielen: ich täte es ungern. Aber schließlich wird es wohl nötig sein, daß ich, nachdem ich vor der Königin gespielt habe, eine musikalische Matinee in einem Privathause gebe, für eine beschränkte Anzahl von Personen. Das wäre wenigstens mein Wunsch. Allein es sind blos Projekte, nichts weiter als Projekte! Schreib mir viel über Dich. Stets bin ich der Deine, mein lieber guter Gut.
Ch.
Unlängst habe ich am Abend in der ,,Somnambule'' Frl. Lind gehört. Es war sehr schön. Ich habe sie persönlich kennen gelernt. Frau Viardot hat mich aufgesucht. Auch sie wird in der ,,Somnambule'' auftreten. Alle Pariser Pianisten weilen hier. Prudents Konzert in der Philharmonie hatte keinen großen Erfolg. Man verlangt dort klassische Dinge. Thalberg ist für 12 Konzerte im selbigen Theater, in dem die Lind auftritt, engagiert worden. Hallé wird Mendelssohn spielen.
An Adolf Gutmann in Heidelberg
Calder House, 16 Okt. 1848
(12 Miles d'Edinburgh).
Teurer Freund, was treibst Du? Wie geht es den Deinen? Was hört man von Deinem Lande, Deiner Kunst? Du schmollst mit mir ganz zu unrecht, kennst Du doch meine Unfähigkeit zur Korrespondenz. Ich habe viel an Dich gedacht, und als ich unlängst von den Unruhen in Heidelberg las, habe ich ein halbes Schock Briefe an Dich begonnen, die ich zum Schluß alle verbrannt habe. Dieses Blatt wird Dich wahrscheinlich erreichen und Dich an der Seite Deiner guten Mutter antreffen. Seitdem Du das letzte Mal mir geschrieben hast, weile ich in Schottland, diesem schönen Lande Walter Scotts, inmitten all der Erinnerungen und Andenken an Maria Stuart. die beiden Karls usw. Ich schleppe mich von einem Lord zum andern. Überall finde ich neben dem herzlichsten Wohlwollen, neben grenzenloser Gastfreundschaft ausgezeichnete Klaviere, wunderschöne Bilder, vortreffliche Büchersammlungen; außerdem gibt es Jagden, Hunde, endlose Diners und Weinkeller, von denen ich weniger Gebrauch mache. Man kann sich schwer die auserlesene Pracht und den Komfort vorstellen, den man auf englischen Schlössern findet. Da die Königin einige Wochen in Schottland zugebracht hat, ist ihr ganz England nachgereist, teils weil die Etikette und die Hofsitte es also verlangt, teils weil man gegenwärtig aufs Festland sich nicht hinauswagen kann wegen der dort herrschenden Unruhen. Alles hat hier seinen Glanz verdoppelt, bis auf die Sonne, die jetzt so wie immer ist; und der Winter beginnt jetzt auch schon drohend näherzurücken; was aus mir wird, weiß ich bis jetzt nicht. Den Brief schreibe ich hier bei Lord Torphichen. In diesem Schlosse, direkt unter dem Salon, den ich bewohne, hat J. Knox, der schottische Reformator, zum ersten Mal das Abendmahl ausgeteilt. Alles regt hier die Phantasie an: der Park mit den hundertjährigen Bäumen, die Abgründe, die Ruinen altertümlicher Schlösser, die endlosen Korridore mit den zahllosen Ahnenporträts; man spricht sogar von einem Rotkäppchen, das um Mitternacht umherwandert. Und auch ich wandere hier mit meinen Zweifeln.
Die Cholera ist im Anzug; Nebel und Spleen gibt es genug in London, und in Paris immer und immer noch keinen Präsidenten. Allein wohin ich auch mit meinem Husten und meiner Atemnot aufbreche, meine Liebe zu Dir wird stets die gleiche bleiben. Deiner verehrten Mutter meine Ehrerbietung und die herzlichsten Glückwünsche für Euch und alle. Schreibe mir einige Worte unter der angegebenen Adresse.
Aus ganzem Herzen Dein
Chopin.
In dem Buch "Chopin, oder, Die Sehnsucht: eine Biografie" beschreibt Eva Gesine Baur den Aufenthalt Chopins in Heidelberg. Chopin hat sicher im "König von Portugall" gewohnt.
Bei diesem Aufenthalt, 1835 in Heidelberg, wird Chopin auch durch den Heidelberger Professor Maximilian Joseph von Chelius in Heidelberg an einem Fingerleiden behandelt . In seinen Räumen in der Hauptstraße 97 gab Chopin als Dank ein Konzert. Chopin spielte die Regentropfen-Prelüde.Vielleicht war das der eigentliche Grund für seinen langen Auffenthalt in Heidelberg.
Auch gilt als sicher, daß Gutman und Robert Schumann sich gekannt haben. In den Tagebüchern von R. Schumann wird vermerkt, daß er sich regelmäßig im Gasthaus "König von Portugall", dem Elternhaus von Gutmann, aufgehalten hat. Dieser Eintrag ist von März des Jahres 1829, dem Jahr wo Gutmann seine ersten Konzerte in Heidelberg gegeben hat.